Das Fazit vorweg: Ja, man kann’s lesen.
Warnung: Wer weiterliest, wird bespoilert! Kling geht mal wieder an ein Technikthema ran, wie in Qualitityland I und II gehts um KI. Diesmal in Form eines Krimis. Man ahnt es bald, dass der Fall Bezug nimmt auf ein vorgetäuschtes Verbrechen, das sich ein paar Jahren in Berlin (eben gerade nicht) ereignet hat. Eine junge Frau behauptete damals, von Ausländern entführt und vergewaltigt worden zu sein. Empörungwellen gingen damals durchs Land, angefeuert von Russia Today Deutschland.
Irgendwann sinnieren Klings Ermittler über genau diesen Fall – womit er verrät, was der Ausgangspunkt seiner Textidee war. Denn hier passiert nichts anderes: Eine blonde deutsche Frau wird entführt und von eine Gruppe Ausländer vergewaltigt. Die filmen sich dabei und dieser Film geht viral. Empörungswellen branden durch die Medien, Demonstranten branden gewalttätig vor dem Bundestag. Man muss nicht lange warte, bis ein weiterer Film auftaucht, diesmal von selbsternannten Rächern und Heimatschützern und dann sind es nur noch wenige Seiten bis die erste Leiche eines Ayslanten entdeckt wird.
Zum Glück muss man nur bis zur Mitte des Buches warten, bis klar wird, dass das Vergewaltigungsvideo – man ahnte es schon viel, viel früher – von einer KI erzeugt wurde. Nun bekommt das Buch einen Twist und wir betreten neues Terrain. Kling überrascht mit einer – wie ich finde – coolen Auflösung: Eine KI wurde darauf trainiert, aufmerksamkeitsstarke Videos zu erzeugen, um die damit generierten Werbeeinahmen zu steigen. Und weil der KI-Trainer zufällig verstirbt, arbeitet die KI immer weiter und weiter und setzt eben auch das Lügenmärchen der Vergewaltigung und der Rächer in die Welt. Kurz: Ganz reale Geldgeilheit treibt die KI-Entwicklung an und die KI formt so mächtige Bilder, dass sich die Realität damit ändert.
Kling schreibt leider fasst schon auf der Ebene eines Groschenromans. Ein unglaublich schlichter Stil. Er ist einfach kein großer Stilist. Die Kapitelchen sind sehr kurz, angenehm für S-Bahnfahrten. Immer wieder erklärt er uns die Welt und doziert und doziert und doziert. Immerhin: es schwallt längst nicht so viel wie Schätzing! Und – ich geb es zu – der Text ist auch ein Pageturner, es fehlt nicht an Spannung. Und ja, die leitende Ermittlerin ist eine starke Figur. Nicht nur eine toughe Frauenfigur, sondern auch literarisch überzeugend gezeichnet. Ich hoffe, dass Kling sie nochmal auftreten lässt, auch wenn ihr im Laufe des Textes ganz übel mitgespielt wird, gibt es doch Hoffnung darauf.